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Mehala

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Das genaue Alter dieses Stadtbezirks von Temeswar ist nicht bekannt. Es handelt sich dabei allerdings um einen der ältesten Vororte der Stadt. Das Alter wurde vom Namen abgeleitet. Das türkische Wort "Mahale"  bedeutet soviel wie Randbezirk oder Vorort. Bereits unter der Türkenherrschaft (1552-1716) wurde dieser Vorort "Mehala" genannt(3). In einer alten Josephinischen Landesaufnahme von 1772, ist auch die Bezeichnung "Mihalla" zu finden. Nach der Vertreibung der Türken im Jahre 1716, wurde die Festung Temeswar erweitert und durch eine bis zu 5 Meter hohe und mehrere Meter breite Festungsmauer  geschützt. Die 1719 fertiggestellte Siebenbürger-Kaserne (Transilvania-Kaserne) war zur damaligen Zeit mit 364 m Länge, die größte Kaserne Europas. Generationen von Soldaten haben hier gedient und so für Sicherheit gesorgt. Die Festungstore  wurden mit Einbruch der Dunkelheit geschlossen. Vom Westen kommend, führte der Weg in die Festung über die Mehala. Wer in die Stadt wollte, es aber nicht mehr rechtzeitig schaffte, mußte in den Vororten übernachten und das Tageslicht abwarten.

Diese Regel wurde auch noch 1721 unter Graf Mercy beibehalten. So entstanden in der Mehala allmählich die ersten Herbergen, Stallungen und Wirtschaften. Diese entwickelten sich langsam zu einer Konkurrenz für die etablierten Wirtschaften innerhalb der Stadtmauern, was für Aufregung sorgte. Die Festung Temeswar war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom verästelten Flußlauf der kleinen Temes (Bega) umgeben. Die Moräste und Sümpfe an der West-, Süd- und Ostflanke der Festung bildeten einen natürlichen und wirksamen Schutz. Abends war es jedoch ratsam die Fenster geschlossen zu halten. Der Geruch der von den Sümpfen her kam war berüchtigt. Das langsam fließende Wasser und häufige Überschwemmungen führten dazu, daß viele Fische nach dem Absinken des Wasserspiegels am Festland zurückblieben. Die so verendeten Fische begannen dann zu faulen. Die Wiesen und Wälder der Mehala waren in geringerem Maße von Sümpfen belastet. Sie eigneten sich wohl deshalb zum Bau einer Sommerfrische für die frühen Herrscher der Festung. Bereits im Laufe der 164-jährigen Türkenherrschaft wurde hier eine Sommerresidenz errichtet. Der Überlieferung nach, konnte man über unterirdische Gänge in den Schutz der Festung gelangen. Derartige Gänge und Tunnels wurden auch innerhalb der Festung angelegt. Bei Gefahr waren es sichere Versorgungs- und Fluchtwege. Pascabrunnen, Baschabrun; (der Brunnen des Paschas) wurde die Residenz unter der türkischen Herrschaft genannt. Das beste Quellwasser, Schatten spendende Bäume, Gartenanlagen und massiv gebaute Räumlichkeiten standen den Osmanischen Herrschern zur Verfügung.

Nach der Eroberung durch die Truppen des Prinz Eugen wurde die Residenz umgebaut und in "Präsidentengarten" umbenannt. Im Jahre 1849 brannte sie bis auf die Grundmauern ab und wurde nicht wieder errichtet. An der Torontaler Straße konnte man die Reste dieser Ruine noch lange erkennen. Die Festung Temeswar selbst ist als "castrum regius temesvar" seit dem Jahre 1212(1) dokumentarisch belegt. Unter der Türkenherrschaft wurden selbst geringfügige Vergehen extrem hart bestraft. Dies war wohl mit ein Grund dafür, daß die ohnehin wenigen Menschen in dem dünn besiedelten Land - möglichst weit weg von der Festung ihr Dasein fristeten. Wie sah es wohl am Anfang des 18. Jahrhunderts im Banat aus?  Der Banater Maler Stefan Jäger veranschaulicht dies eindrucksvoll in seinen Landschaftsbildern. Eine wilde großartige Pflanzenwelt mit südlichem Klima. Weite Landstriche waren regelrecht entvölkert. Der Boden hatte seit der Römerzeit keinen Pflug mehr gesehen. In der von etlichen Sümpfen durchzogenen Ebene gab es regelrechte Urwälder. Die verlassenen Dörfer wirkten wie ausgestorben, in ihren Erdhütten hausten im Winter die Wölfe.  Im Sommer tummelten sich in den Feuchtgebieten unzählige Frösche, riesige Schwärme von Mücken durchstreiften die Sümpfe, Aasgeier und Raben waren unentwegt auf der Suche nach Fressen. Dann das Schicksalsjahr 1716...

Das österreichische Kaiserreich war am Anfang des 18. Jahrhunderts militärisch gestärkt und durch mehrere Siege in seiner Kampfkraft bestätigt. Nach dem Sieg von Peterwardein vom 05. August 1716 ,entschloß sich Prinz Eugen zur Eroberung des Banats, daß als letzter Teil von Ungarn, noch in türkischer Hand war.  Prinz Eugen konnte mit der Unterstützung schlagkräftiger Verbündeter rechnen. Die Zeit war gekommen sich von der stetigen Bedrohung durch die Türken zu befreien. Seine Pläne - die bis zur Vertreibung der Türken von Belgrad reichten, konnte er am kaiserlichen Hof in Wien wohl überzeugend präsentieren. Prinz Eugen wußte daß die Festung Temeswar, der Schlüssel zum Banat war. So hatte man sich entschieden, diese Festung zu belagern, anzugreifen und zu erobern. Der Marsch nach Temeswar konnte wegen der sommerlichen Hitze nur in der Nacht und in den frühen Morgenstunden erfolgen. Je weiter man kam, desto schwieriger wurde das Gelände. Moräste, Sümpfe und der verästelter Flußlauf umgaben die Stadt von drei Seiten. Im Norden war die Vorstadt zur "Großen Palanka" ausgebaut worden. Und nur vom Norden her konnte diese Festung gestürmt werden. Auf dem Boden der heutigen Mehala standen im Herbst des Jahres 1716 Zelte der Kaiserlichen Truppen, unter der Führung von Prinz Eugen von Savoyen.
 
 

eugen
   Prinz Eugen von Savoyen

Die Festung Temeswar konnte nach mehr als 40-tägiger Belagerung und nach zwei Tagen und zwei Nächten Dauerfeuer, in Brand geschossen werden. Vor allem die große Palanka - hauptsächlich aus Holzhäusern gebaut, brannte fast völlig ab. Innerhalb der Festung warteten 15.000 türkische Soldaten mit 156 Geschützen auf Verstärkung. Ein türkisches Reiterheer von 20.000 Soldaten konnte nicht mehr in die Kämpfe eingreifen. Es wurde vom Grafen Max von Starhemberg abgefangen und zerschlagen(1).

Prinz Eugen fürchtete einen frühen Wintereinbruch. Die fast 70.000 Mann starke kaiserliche Armee war vom Herbstwetter mit seinen lange anhaltenden Regenfällen geschwächt, viele Soldaten waren bereits erkrankt. Es waren nur noch 22.500 Soldaten diensttauglich. Überraschend gab Mehmed Aga schließlich auf und hißte am 13. Oktober 1716, die weiße Fahne. Diese Kapitulation der Osmanen kam gerade noch recht. Der Kapitulationsvertrag zwischen Prinz Eugen von Savoyen und Mehmed Aga Azabani Edwed wurde der Überlieferung nach, in der Sommerresidenz unterzeichnet. Die Türken verließen gemäß Kapitulationsvertrag die Festung. Am 02.11.1716 reist Prinz Eugen zurück nach Wien, Graf Claudius Florimund Mercy übernimmt das Oberkommando über die österreichischen Streitkräfte im Banat, Festungskommandant von Temeswar wird Paul Wallis(2).

Als Gouverneur hat Graf Mercy für Aufschwung gesorgt. Er ließ Brunnen bohren um die Trinkwasserversorgung zu verbessern; er war es auch der die Bega kanalisieren ließ damit das Wasser schneller abfließt. Sümpfe wurden trockengelegt, die Besiedelung des Landes mit Bauern und Handwerkern wurde gefördert. Nach Plänen von Prinz Eugen wurden weiteren Befestigungsmauern(3) gebaut. Aus der alten Heimat nach und nach mitgebrachte Obstbäume, Weinreben und Kartoffeln wurden angebaut. Hunderttausend junge Maulbeerbäume ließ Mercy aus Sizilien herbeischaffen damit sie alle Landstraßen säumen. In den heißen Sommermonaten spendeten die Maulbeerbäume den Reisenden angenehmen Schatten, im Winter bei hohem Schnee erleichterten sie die Orientierung. Die reife Frucht des Maulbeerbaumes ist süß. Von den Blättern konnten Seidenraupen ernährt werden und die Kokons waren der Rohstoff für die erste Seidenfabrik des Landes. Das erste Seidentuch dieser Manufaktur soll bis heute seinen Platz im Zentrum des Altars der rumänischen Kathedrale haben. Der imposante Bau der Domkirche(3)wurde 1774 fertiggestellt. Am Domplatz entstand das erste Hotel "Zu den sieben Kurfürsten", wie im Roman "Der große Schwabenzug" von Adam Müller-Guttenbrunn, anschaulich erzählt. Neue Gesetze zum Schutz der Siedler wurden erlassen. Prinz Eugen wie Graf Mercy mußten sich wiederholt - gegen das Bestreben der ungarischen Stände - für die Selbstständigkei des Banats einsetzen. Das Banat wurde besiedelt und entwickelte sich weiter. Münzen und Waffen wurden noch viele Jahre später von Bauern bei der Feldarbeit auf den Fluren der Mehala gefunden. Es gab kaum Ärzte in Temeswar. In Wien ausreichend. Jeder Arzt der sich bereit erklärte in Temeswar oder im Banat zu arbeiten und zu wirken - dem wurde das fünf- bis siebenfache an Honorar vom Kaiserreich zugesichert. So angemessen gefördert, etwickelte sich auch im Banat unter erschwerten Bedingungen das Gesundheitswesen. Es war trotzdem nicht einfach. Der altbekannte Spruch - die Ersten erwartet der Tod - die Zweiten die Not und die Dritten das Brot, hat wie jede Redewendung wohl einen wahren Kern.

Die Mehala wurde für die nächsten 65 Jahre der Stadt Temeswar zugeordnet und erhielt 1716 die Bezeichnung "Neustadt". Im Jahre 1781 wurde sie als Stadtbezirk wieder ausgegliedert und als eigenständiger Ort unter dem Namen "Mehala" der Administration des Komitates unterstellt. Langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen um die Zugehörigkeit von Grund und Boden wurden mit dem Gerichtsurteil vom 01. Januar 1910 beendet. Der höchstrichterliche Beschluß sah vor, daß sie nun offiziell als Bezirk Nr. V  unter dem neuen Namen "Franzstadt" dem Stadtgebiet zugeordnet wird. Auf historischen Landkarten  vor 1910, wird die Mehala noch als eigenständige Ortschaft geführt; der ursprüngliche Name hat sich bis heute behauptet.  Ab dem Jahre 1900 entstanden weitere Siedlungen rings um Temeswar.  In der Ronaz ließen sich viele Arbeiter der josefstädter Industriebetriebe nieder und bauten Häuser mit großzügig angelegten Nutzgärten. Weiter entstanden die Bezirke Anheuer, Blaskovici und Weiss. Es wurden Kindergärten und Schulen gebaut. Das älteste dokumentierte Gebäude der Mehala ist die serbische Kirche, erbaut im Jahre 1786. Die katholische Marienkirche konnte bereits im September 1887 fertiggestellt werden. Der Grundstein zum wohl größten Gebäude der Mehala, der orthodoxen rumänischen Kirche, wurde am 28. August 1924 gelegt. Anwesend war König Ferdinand von Rumänien, die Königin Maria, Erbprinz Carol und Erbprinzessin Elena. Eine vom König unterzeichnete Urkunde wurde im Rahmen der feierlichen Grundsteinlegung beigelegt. Die Kirche wurde nach einer Bauzeit von 13 Jahren, am 10 Oktober 1937 eingeweiht.

Anfang des 19. Jahrhunderts gab es nordwestlich der Mehala, bis Sackelhausen, Beschenowa und Sanktandres einen alten Laubwald, den Cioca-Wald oder "padurea cioca". In einer kleinen Siedlung gleichen Namens, sollen kurzzeitig Räuber gelebt und ihr Unwesen getrieben haben. Man ging auf die Jagd, sammelte Pilze und nutzte den Wald als Brennholz. Innerhalb von 80 Jahren wurde er abgeholzt und zu Ackerfläche umgestaltet. Ackerboden war ertragreicher als Wald - an Ökologie dachte man damals noch nicht. Die heutige Closcastraße war beidseitig von einer Allee aus Akazienbäumen gesäumt. Zwischen der alten Stadtgrenze von Temeswar und seinem Vorort "Mehala" blieb ein unbebauter Landstrich - als grüner Gürtel noch bis 1964 bestehen, danach begann man vom Westen her mit dem Ausbau der Circumvalatiunii.

Südlich der Gheorghe Lazar Straße wurde gegenüber der Kaserne eine Milchfabrik gebaut - da wo heute ein Supermarkt steht. Westlich davon gab es Nutzgärten für den Gemüseanbau. Zug um Zug wurde allmählich auch die nördlich gelegene Wiese bebaut. Sie wurde als militärischer Übungsplatz genutzt, war mit Schützengräben gespickt, eine groß angelegten Schießanlage reichte bis nahe an die Torontaler Straße, wo auch noch Kasernen standen. Die bis dahin einzige Straßenbahnverbindung "Linie 4" zur Innenstadt wurde 1970 durch eine neue Busanbindung (Trolleybus, Firobuz) abgelöst. Es entstanden die neuen Stadtteile der "Circumvalatiunii." Ein Teich als natürlicher Regenwasserspeicher, die "balta verde" wurde zugeschüttet und bebaut. Einst war dieser Teich ein beliebter Treffpunkt im Winter. In der Macilor-Straße gab es an der Ostseite einen Wassergraben, der das Regenwasser zum grünen Teich brachte. Eislaufen war auf den großen freien Flächen eine willkommene Freizeitgestaltung - nicht nur für die Kinder. Ein ganzjährlich beliebter Treffpunkt über viele Generationen war der Kirchenhof - gleichsam zentraler Dreh und Angelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Deutschen in der Mehala. Es war eine Kirchengemeinde mit Vorstand und Nonnen die sich um Küche, Wäsche und die Kirche kümmerten. Über Jahrzehnte wirkten Bruder Konrad, Bruder Hugo und der Pfarrer, Pater Johannes Blum. Nun, es ist viel Zeit seit diesen Tagen vergangen, die meisten Deutschen sind ausgewandert. Viele alte Häuser sind verfallen, andere wiederum sind den expandierenden Neubauvierteln, noch bis zum Ende der 80-er Jahre zum Opfer gefallen. Das Erscheinungsbild der Mehala hat sich verändert - was bleibt sind Erinnerungen.
 
 
 

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Georg Grega

 

 

 

 

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